Digitale Gesundheit: Wearables, Bluttests & Online-Diagnostik
Digitale Gesundheit verändert die Vorsorge: Von Smartwatches über Online-Bluttests bis hin zu virtuellen Arztbesuchen eröffnen neue Technologien Chancen für mehr Prävention.
Digitale Technologien erobern zunehmend die Gesundheitsvorsorge. Wearables – also am Körper getragene Sensoren – protokollieren rund um die Uhr Vitaldaten. Neue digitale Bluttests ermöglichen es, Laborwerte unkompliziert im Alltag zu überwachen. Und per Online-Diagnostik können ärztliche Ratschläge oder sogar Diagnosen heute virtuell eingeholt werden. In der Schweiz nutzt bereits über die Hälfte der Bevölkerung Fitness-Tracker oder Gesundheits-Apps zur Überwachung der eigenen Gesundheit. Dieser Trend zur digitalen Gesundheit verspricht eine personalisierte, präventive Medizin – stellt Patient*innen und Gesundheitswesen aber auch vor neue Fragen bezüglich Wirksamkeit, Datenschutz und Integration in die Versorgung.
Wearables im Dienste der Gesundheit
Fitness-Armbänder und Smartwatches sind längst mehr als Spielereien: Sie zählen Schritte, messen Puls und Schlafrhythmen und motivieren zu einem aktiveren Lebensstil. Gerade jüngere Menschen setzen auf diese digitalen Gesundheitsbegleiter – bei den unter 40-Jährigen nutzen in der Schweiz rund 70 % Tracker oder Gesundheits-Apps. Viele spüren dadurch einen positiven Effekt: Fast 90 % der Tracker-Nutzer berichten laut einer Schweizer Umfrage von Nutzen wie mehr Bewegung, Ausdauer oder besserem Schlaf. Wearables können aber nicht nur Fitness fördern, sondern auch Krankheiten frühzeitig aufdecken. So hat etwa die Herzrhythmus-Messung über smarte Uhren bereits das Screening auf Vorhofflimmern revolutioniert – die Uhr erkennt unregelmässige Pulse und warnt vor möglichen Herzrhythmusstörungen, noch bevor der*die Betroffene etwas davon merkt.
Die nächste Generation von Wearables steht schon bereit. In der renommierten Fachzeitschrift Nature wurde kürzlich das Potenzial innovativer Sensoren beschrieben, die in Schweisstropfen, Atemluft oder Tränenflüssigkeit medizinisch relevante Substanzen nachweisen können. Solche tragbaren Sensoren könnten in Zukunft unangenehme Blutentnahmen ersetzen – ein grosser Vorteil etwa für Diabetikerinnen: Bereits heute misst ein kleiner Sensor am Oberarm den Blutzucker kontinuierlich durch die Haut und erspart den schmerzhaften Fingerstich. Künftig dürften Wearables weitere Biomarker wie Elektrolyte, Entzündungs- oder Hormonwerte in Echtzeit erfassen. Die Vision dahinter: wichtige Körperwerte lückenlos und ambulant zu überwachen, um z.B. eine beginnende Infektion oder einen Sepsis-Frühstadium sofort zu erkennen. Experten betonen jedoch, dass diese neuen Technologien ihren medizinischen Nutzen erst noch in grossen Studien beweisen müssen und von Ärztinnen, Patienten und Versicherern akzeptiert werden müssen. Auch müssen die riesigen Datenmengen, die rund um die Uhr anfallen, durch künstliche Intelligenz (KI) sinnvoll ausgewertet werden. Gelingt dies, könnten Wearables vom Fitnesstrend zu einem integralen Bestandteil der Gesundheitsversorgung werden – etwa indem sie Ärztinnen und Ärzten ermöglichen, Therapieverläufe in Echtzeit zu verfolgen oder bei ersten Anzeichen einer Verschlechterung früh einzugreifen.
Bluttests im digitalen Zeitalter
Laborwerte gelten als Fenster zur Gesundheit – doch bislang war der Weg dorthin oft umständlich: Man musste einen Arzttermin vereinbaren, eine Blutprobe im Labor abgeben und Tage auf Resultate warten. Im digitalen Zeitalter entstehen nun Angebote, welche die Labordiagnostik näher zu den Menschen bringen. Ein Beispiel dafür ist das Healthtech-Startup Aware in Deutschland, das Gesundheits-Labors mit einer Smartphone-App verknüpft. Nutzer*innen können dort regelmässig Bluttests durchführen lassen; die Ergebnisse – von Cholesterin bis Vitaminspiegel – werden innerhalb von 24 Stunden in der App anschaulich dargestellt und verständlich erklärt. Allein der Basis-Bluttest umfasst 44 verschiedene Werte und liefert einen breiten Einblick in die Gesundheit von Herz, Immunsystem, Nieren, Leber, Stoffwechsel sowie in Hormon- und Nährstoffhaushalt. Solche Dienste setzen auf Prävention statt Reaktion: Gesundheitsprobleme sollen erkannt und angegangen werden, bevor Krankheiten entstehen. “Wir wollen dazu beitragen, dass Menschen gesund bleiben können, anstatt gesund werden zu müssen”, bringt es der Aware-Mitgründer Florian Meissner auf den Punkt.
Noch steckt diese Vision in den Anfängen, und insbesondere in der Schweiz ist der Markt für digitale Bluttests zurückhaltender. Viele Schweizerinnen stehen dem ständigen Erfassen und Teilen von Gesundheitsdaten skeptisch gegenüber. Eine Studie der Stiftung Sanitas (2024) zeigt, dass die Motivation für langfristiges Gesundheitstracking im Alltag gering ist, solange kein konkreter Krankheitsfall vorliegt. Zwar finden es viele interessant, via App ihre Werte zu beobachten – etwa begleitend zu einer laufenden Behandlung – und neue Technik wird gerne ausprobiert. Doch präventiv und dauerhaft ihre Biomarker aufzuzeichnen, das tun bislang die wenigsten. Gründe dafür sind der Aufwand und vor allem Datenschutzbedenken: Gesundheitsdaten zu sammeln hat hierzulande ein eher schlechtes Image, und die Sorge um die Datensicherheit ist gross. Um digitale Bluttests und kontinuierliches Monitoring breit zu etablieren, wird es daher entscheidend sein, dass Anbieter vertrauenswürdige Lösungen schaffen, die den Datenschutz gewährleisten und den Nutzerinnen einen klaren Mehrwert bieten. Gelingt dies, könnten regelmässige Gesundheits-Checks zu Hause – eng verknüpft mit ärztlicher Betreuung – zu einem Pfeiler der Vorsorgemedizin werden.
Online-Diagnostik: Arztbesuch per App
Nicht nur Messdaten, auch ärztliche Expertise wird zunehmend digital vermittelt. Bereits heute suchen über 90 % der Schweizer Bevölkerung regelmässig online nach Krankheitssymptomen – Dr. Google ist rund um die Uhr verfügbar, auch wenn die Ergebnisse nicht immer verlässlich sind. Kontrollierter und personalisierter verläuft die Telemedizin, also die medizinische Beratung und Behandlung aus der Ferne. In der Schweiz wurden telemedizinische Konsultationen 2023 offiziell in die Standesregeln der Ärzteschaft aufgenommen. Ärztinnen und Ärzte können seither selbst entscheiden, ob ein Anliegen sich für eine Betreuung via Telefon/Video eignet oder doch einen Besuch vor Ort erfordert. Dank dieser Öffnung und gefördert nicht zuletzt durch die Pandemie hat sich Telemedizin einen festen Platz im Versorgungssystem gesichert. Krankenkassen berichten, dass rund 45 % der telemedizinischen Beratungen abschliessend gelöst werden können, ohne dass danach noch ein Arztbesuch nötig ist.
Auch spezielle Online-Diagnose-Apps drängen auf den Markt. Ein viel diskutiertes Beispiel sind Hautanalyse-Apps, die per Smartphone-Foto und KI-Algorithmus Muttermale auf Hautkrebsrisiko prüfen. Können solche Apps den Hautarzt ersetzen? Die Forschung zeigt ein gemischtes Bild. In kontrollierten Tests mit standardisierten Aufnahmen (etwa mithilfe eines Dermatoskops) erkannte eine KI verdächtige Melanome teils genauso gut oder besser als erfahrene Dermatologen. Doch im Alltagsgebrauch stossen KI-Apps auf Grenzen: Übliche Smartphone-Fotos können je nach Beleuchtung oder Bildqualität die Software in die Irre führen – es besteht die Gefahr von Fehldiagnosen. Dermatologen betonen daher, dass solche Apps eine professionelle Untersuchung nicht ersetzen können. Sinnvoll eingesetzt, können sie allenfalls die Früherkennung unterstützen – zum Beispiel indem sie Nutzerinnen ermutigen, bei einem auffälligen Befund schneller einen Hautarztärztin aufzusuchen. Als verlässlicher haben sich Teledermatologie-Dienste erwiesen, die den digitalen Weg mit fachärztlicher Begutachtung kombinieren: In der Schweiz bieten mehrere Krankenkassen einen Online-Hautcheck an, bei dem man Bilder einer Hautveränderung einschickt und innerhalb von 48 Stunden eine Beurteilung durch einen Dermatologin erhält. Solche Angebote verkürzen die Wartezeit auf eine erste Einschätzung enorm und beruhigen im besten Fall die Patientinnen. Dennoch gilt auch hier: Wenn nur ein Fleck begutachtet wird, aber woanders unbemerkt ein Melanom wächst, kann die Früherkennung versäumt werden. Deshalb sehen Expert*innen KI- und Online-Diagnostik eher als Hilfsmittel – vergleichbar einem Spurhalteassistenten im Auto, der den Menschen unterstützt, aber nicht ersetzt. Die besten Ergebnisse werden erzielt, wenn digitale Tools mit ärztlichem Fachwissen Hand in Hand gehen.
Fazit
Die Digitalisierung bringt Gesundheitsinformationen und -messungen näher zu den Menschen als je zuvor. Ob am Handgelenk, zu Hause oder per Handy – wir können unsere Gesundheit heute laufend im Blick behalten und frühzeitig reagieren. Internationale Studien und erste Pilotprojekte stimmen optimistisch, dass dadurch Krankheiten früher erkannt und Behandlungen personalisiert werden können. Gleichzeitig mahnt insbesondere die Schweizer Erfahrung zur Geduld: Qualität, Datenschutz und Vertrauenswürdigkeit müssen mit dem technischen Fortschritt Schritt halten. Digitale Gesundheit wird sich dann durchsetzen, wenn die Vorteile für alle Beteiligten klar überwiegen. Gelingt dieser Spagat, könnten Wearables, digitale Bluttests und Online-Diagnose-Tools das Gesundheitswesen nachhaltig verbessern – präziser, präventiver und patientennäher als je zuvor.