Vitamin D in der Schweiz: Was gegen den Wintermangel hilft
Vitamin D ist in der Schweiz ein Saisonthema mit System: Zu wenig UVB im Winter, oft tiefe Werte. Der Artikel erklärt die Biochemie bis zur aktiven Form, zeigt sichere Sonnenzeiten, ordnet D2 vs. D3 ein und gibt praxisnahe Dosierungstipps – inklusive, wann eine Blutkontrolle sinnvoll ist.
Vitamin D ist in der Schweiz mehr als ein Saison-Thema. Zwischen Oktober und März steht die Sonne so tief, dass die für die körpereigene Vitamin-D-Bildung nötige UVB-Strahlung die Haut kaum erreicht. Wer viel in Innenräumen arbeitet, Sonnenschutz verwendet oder sich hinter Glas aufhält, produziert zusätzlich weniger – Fensterglas filtert UVB weitgehend heraus. Das erklärt, weshalb viele Menschen hierzulande im Winterhalbjahr zu tiefe Blutwerte aufweisen. Orientierung zu Grundlagen und Empfehlungen geben das Bundesamt für Lebensmittelsicherheit und Veterinärwesen sowie die Schweizerische Gesellschaft für Ernährung; beide betonen, dass die Eigenproduktion in der Haut die wichtigste Quelle ist, während die Zufuhr über Lebensmittel nur einen kleinen Anteil deckt.
Damit Vitamin D wirken kann, muss es biochemisch „scharf geschaltet“ werden. In der Oberhaut, vor allem in Basal- und Stachelzellschicht, liegt 7-Dehydrocholesterin als Vorstufe vor. Trifft UVB-Licht im Bereich etwa 290–315 nm auf die Haut, entsteht per Photochemie zunächst Prävitamin D₃, das sich durch Wärme in Vitamin D₃ (Cholecalciferol) umlagert. Bei weiterer UV-Exposition werden Überschüsse zu inaktiven Photoprodukten abgeleitet – ein natürlicher Schutz vor Überproduktion. Vitamin D₃ diffundiert in den Kreislauf, bindet an das Vitamin-D-Bindungsprotein und gelangt so in die Leber. Dort hydroxiliert das Enzym CYP2R1 zu 25-Hydroxy-Vitamin D [25(OH)D, Calcidiol], dem Speicher- und Messmetaboliten. In der Niere wandelt die 1-α-Hydroxylase (CYP27B1) 25(OH)D zur aktiven Hormonform 1,25-Dihydroxy-Vitamin D [1,25(OH)₂D, Calcitriol] um. Dieser Schritt wird hormonell reguliert: Parathormon fördert, hohe Calcium-/Phosphatspiegel und FGF-23 bremsen. Calcitriol bindet an den nukleären Vitamin-D-Rezeptor und steuert die Genexpression unter anderem für die Calciumaufnahme im Darm sowie für Knochenumbau und Nierenrückresorption. Für die Versorgungskontrolle misst man deshalb 25(OH)D: Es zirkuliert in deutlich höheren Konzentrationen und hat mit rund zwei bis drei Wochen eine wesentlich längere Halbwertszeit als Calcitriol, das nur wenige Stunden stabil ist.
Die Folge eines ausgeprägten Mangels sind bei Kindern Rachitis und bei Erwachsenen Osteomalazie; langfristig steigt das Osteoporoserisiko, zusätzlich treten Muskelschwäche und Stürze häufiger auf. Historische und moderne Studien zeigen, dass adäquate Vitamin-D-Spiegel – häufig gemeinsam mit Calcium – Frakturen reduzieren können, während sehr hohe Bolusdosen in großen Abständen das Gegenteil bewirken und Sturz- sowie Frakturrisiko erhöhen. Das spricht in der Praxis für moderat-regelmäßige Dosierungen statt seltener Hochdosis-Gaben, stets ärztlich gesteuert und am Ausgangswert orientiert.
Ernährung kann beitragen, reicht allein aber selten aus. Fettreiche Fische, Eier und angereicherte Lebensmittel liefern Vitamin D, doch typische Verzehrsmengen decken den Bedarf im Winterhalbjahr meist nicht. Offizielle Übersichten und Referenzwerte finden sich bei der SGE, dem BLV und in der professionellen Faktenübersicht des NIH Office of Dietary Supplements; Letztere bündelt auch Interaktionen mit Medikamenten und Hinweise zur Aufnahmeverbesserung durch zeitgleiche Fettzufuhr.
Wenn supplementiert wird, ist die Form relevant. Vitamin D liegt in Präparaten als D₂ (Ergocalciferol) oder D₃ (Cholecalciferol) vor. Mehrere Metaanalysen zeigen, dass D₃ den 25(OH)D-Spiegel im Durchschnitt nachhaltiger anhebt als D₂ und deshalb als Standard gilt; inzwischen existiert auch veganes D₃ aus Flechten. In der Praxis sind ölbasierte Tropfen wegen der flexiblen Dosierung beliebt, Kapseln und Tabletten eignen sich für eine feste Routine; eingenommen zu einer Mahlzeit mit etwas Fett verbessert sich die Aufnahme. Diskussionen um Kombinationen mit Vitamin K₂ zielen auf den Calcium-Einbau in den Knochen, die Leitlinienlage ist hier jedoch uneinheitlich, weshalb eine individuelle Abklärung sinnvoll bleibt.
Für die tägliche Versorgung ist Sonnenlicht – mit Augenmaß – unschlagbar. Kurze Aufenthalte im Freien um die Mittagszeit reichen im Sommer oft, ohne die Haut zu schädigen; Sonnenbrandprävention hat dabei Vorrang. Sonnenschutz reduziert die Synthese deutlich, ist aber aus Hautschutzgründen wichtig; durch Glas gelangt das entscheidende UVB kaum, weshalb „Sonne hinter dem Fenster“ die Vitamin-D-Bildung nicht ersetzt. Wer altersbedingt weniger 7-Dehydrocholesterin in der Haut hat, dunklere Hautpigmentierung aufweist, bedeckende Kleidung trägt oder Medikamente mit Einfluss auf den Stoffwechsel einnimmt, sollte besonders aufmerksam sein und den Status gegebenenfalls bestimmen lassen.
Unterm Strich ist die Unterversorgung in der Schweiz jahreszeitlich programmiert, aber gut handhabbar. Wer im Sommer realistisch Sonne tankt, im Winter – falls angezeigt – moderat supplementiert und den Status bei Risikokonstellationen gezielt überprüft, schützt Knochen, Muskeln und Immunsystem ohne die Hautgesundheit zu kompromittieren. Für weiterführende, lokal relevante Hinweise verweisen BLV und SGE auf praktische Empfehlungen und Referenzwerte; sie bilden zusammen mit ärztlicher Beratung die verlässlichste Basis für Entscheidungen im Alltag.